Drohender Verkauf der Gail’schen Villa

Gail'sche Villa bald in Privatbesitz?

Gail'sche Villa bald in Privatbesitz?

Am vergangenen Donnerstag (10.11.2011) hat die Gemeindevertretung mit überwältigender Mehrheit der Vermietung der Gail’schen Villa an Herrn Dr. Lust zugestimmt. Innerhalb von fünf Jahren kann dieser nun alleine darüber entscheiden, ob er eine Kaufoption mit Anrechung der Mietzahlungen wahrnimmt. Die „Vermietung“ ist also eigentlich bereits jetzt ein „Verkauf“. Der öffentliche Zugang an Wochenenden soll etwas eingeschränkt erhalten bleiben. Außer den Grünen und einer CDU-Abgeordneten stimmten alle anderen Gemeindevertreter für den Verkauf.

Wir halten diese Entscheidung für falsch!

Aus unserer Begründung für die Ablehnung des Verkaufs:

Im Jahr 2002 hat unsere Fraktion gemeinsam mit SPD und CDU trotz angespannter Haushaltslage für den Kauf von Gail’scher Villa und Park gestimmt. Wir hatten seinerzeit die Hoffnung, dass eines Tages beides einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden kann und der Park einmal frei zugänglich sein wird. Keine 10 Jahre später soll diese Hoffnung zu Grabe getragen werden.
Das liegt nicht etwa daran, dass es kein öffentliches Interesse an Villa und Park gäbe.
In der Zwischenzeit hat sich beides zu einer Institution mit überregionaler Bedeutung entwickelt. Der Park ist zu einem Aushängeschild Biebertals geworden. Wir Biebertaler begreifen den Park als unseren Park, wir genießen es, hindurchzuspazieren und freuen uns über das schöne Gelände und die angenehme Atmosphäre. Auch die Veranstaltungen im Park sind gut besucht.
Am mangelnden Interesse liegt es also nicht, dass heute der Verkauf eines der wertvollsten Stücke aus unserem Tafelsilber beschlossen werden soll. Das ist eine rein kaufmännische Entscheidung. Anscheinend darf sich eine Gemeinde in Zeiten knapper Kassen kein öffentliches Kulturgut leisten. Oder genauer: Eine Gemeinde darf anscheinend nicht das geringste Risiko eingehen, auch nur für kurze Zeit für ein solches Objekt draufzulegen.
Wir leisten uns ein Neubaugebiet mit all seinen Investitions- und Folgekosten, wie Beleuchtung, Straßenunterhaltung, Schneeräumung etc. Für den Erhalt der Infrastruktur – dazu zählen wir Villa, Park und auch das Schwimmbad – wollen wir möglichst kein Geld ausgeben.

Es werden Befürchtungen geäußert, dass es irgendwann den Freundeskreis mal nicht mehr gibt und die Gemeinde dann auf der Parkpflege sitzen bleiben wird. Wer einmal die Begeisterung von Kindern und Jugendlichen für den Park erlebt hat, wird sich um die Zukunft des Freundeskreises keine Sorgen machen. Um das ehrenamtliche Engagement im Verein müssen wir uns allerdings schon Sorgen machen, wenn die Parkpflege künftig für einen Privatmann und nicht mehr für die Allgemeinheit durchgeführt wird.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Das Entgegenkommen des Herrn Dr. Lust in Sachen öffentliche Nutzung des Parks erscheint uns sehr großzügig und wir wünschen Ihm und seiner Familie am neuen Wohnsitz auch alles Gute.

Wir sind aber der Meinung, dass ein öffentliches Kulturgut in die öffentliche Hand gehört!

Daher können wir auch die öffentlich geäußerte Begeisterung über den Verkauf nicht nachvollziehen.
Wir sind enttäuscht über den Weg der Beschlussfassung. Innerhalb einer Woche soll die Vertretung über einen so wichtigen Vertragsabschluss entscheiden.
In der Ältestenratssitzung am 25.8. gab es für den Bürgermeister Rückendeckung für die Anbahnung eines Mietvertrages. Zur Entscheidung stand heute allerdings ein Kaufvertrag, da die Option nur einseitig für Herrn Dr. Lust besteht.
Wir waren bis letzte Woche im festen Glauben, dass es darum geht, für fünf Jahre sichere Mieteinnahmen zu haben und danach über einen Verkauf zu entscheiden. Fünf Jahre für die Suche nach einer öffentlichen Folgenutzung.

In der Sitzung der Gemeindevertretung am 10.11.2011 haben wir daher folgenden Änderungsantrag gestellt:

Der Gemeindevorstand wird beauftragt, auf Basis des zwischen Gemeinde Biebertal, Freundeskreis Gail’scher Park und Herrn Dr. Lust ausgehandelten Papiers einen Mietvertrag für das Anwesen Gail’scher Park und Villa auszuarbeiten.
Das gesamte, als rechtssicher bewertete Vertragswerk wird der Gemeindevertretung zur Beschlussfassung vorgelegt.
Zu diesem Zeitpunkt muss auch geklärt sein, wie die vertraglichen Verpflichtungen der Fa. Schunk bezüglich Sanierung von Schweizer Haus und Uhrentürmchen abgegolten werden.

Leider wurde dieser Änderungsantrag von der Mehrheit abgelehnt, obwohl er nicht zwingend zu einer Zeitverzögerung beim Vertragsabschluss geführt hätte. Aber die Gemeindevertreter wollten sich wohl lieber nicht die Zeit nehmen, noch einmal über eine so weitreichende Entscheidung nachzudenken.

Nachtrag: Auch die Gießener Allgemeine und der Gießener Anzeiger haben über die Sitzung der Gemeindevertretung ausführlich berichtet.

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