Haushalt 2021: Unser Haushalt muss grüner werden

Anlässlich der Haushaltsberatungen in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 17.11.2020 hat der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen Biebertal, Siegfried Gröf, die folgende Rede gehalten:

Foto: nattanan23@pixabay

„Liebe Frau Ortmann, liebe Elke Lepper, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Herren von der Presse, liebe Bürgerinnen und Bürger,

die Haushaltsrede ist ja immer auch eine Gelegenheit, einmal über den Tellerrand hinauszuschauen und weg von den Einzelentscheidungen, mal ein paar Worte zum großen Ganzen zu verlieren. Daran sollte auch Corona nichts ändern. Und deshalb bleibt erst einmal festzuhalten:

Man sieht es auf den ersten Blick (hält den Haushalt 2021 mit blauweißem Einband hoch):

Dieser Haushalt ist nicht grün genug!

Wenn ich dann noch ein bisschen ausholen darf, möchte ich gerne auch die Lokalpresse, die ja auch heute wieder anwesend ist, in meine Ausführungen einbeziehen.

Ich war schon etwas verwundert, als ich die erste Berichterstattung zum Haushalt in Biebertal in der Lokalpresse gelesen habe. Da stand „Biebertal fehlt Geld!“ Als ich Praktikant bei einer kleinen Lokalzeitung war, da habe ich gelernt „Hund beißt Mann“ ist keine Nachricht. „Mann beißt Hund“, das ist eine Nachricht. 

Lieber Rüdiger Soßdorf, wollt ihr jetzt bei jedem Gemeindehaushalt im Landkreis Gießen schreiben, das Geld fehlt. Das ist keine Nachricht – und es stimmt ja nicht einmal, denn es ist Geld da. Die Gemeinde Biebertal hat für das Haushaltsjahr 2019 einen Jahresabschluss mit einem Überschuss von über 1,2 Mio EUR vorgelegt. Mit Verlaub, lieber Rüdiger, aber das wäre die eigentliche Nachricht gewesen.

So jetzt aber genug der langen Vorrede.

Kommen wir zum Haushalt 2021!

Denn das bleibt ja zu allererst einmal festzuhalten, es ist Biebertal in den letzten Jahren gelungen, sehr erfolgreich Schulden abzubauen und kontinuierlich einen weitestgehend ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Und das auch schon vor Corona unter durchaus schwierigen Rahmenbedingungen. Auch für 2021 haben Gemeindeverwaltung, Bürgermeisterin und Gemeindevorstand gemeinsam einen sehr ordentlichen Haushalt auf die Beine gestellt. 

Dabei ist es den Beteiligten geglückt, ein ursprüngliches errechnetes Defizit von 1,8 Mio auf etwas mehr als 700 TEUR zusammenzustreichen. Das ist gerade deshalb bemerkenswert, weil die Gemeinde auf viele Belastungen, wie die immensen Kosten der Kindertagesstätten, gar keinen Einfluss hat. Und damit will ich nicht die Kosten diskreditieren. Jeder Euro, der in frühkindliche Bildung und Erziehung investiert wird, ist ein guter Euro. Aber wenn das Land diese Lasten den Kommunen aufbürdet, dann müsste das Land auch vollständig für diese Kosten gerade stehen. Das passiert leider nicht und deshalb ist diese wertvolle Investition trotzdem eine erhebliche Belastung für die Gemeinde Biebertal.

Die solide Gestaltung des Haushalts ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit und dafür gebührt allen Beteiligten Respekt und Dank!

Aber – und diese Frage muss hier erlaubt sein – ist das wirklich eine gute Nachricht? Ich sage „Ja, aber …“. Ja, weil dieser Haushalt auch zahlreiche wichtige und oft auch dringende Investitionen enthält: Feuerwehr und Bauhof, Straßensanierungen, Familienbad und vieles mehr. Das sind wichtige Investitionen in die Zukunft, in die Zukunft Biebertals und vor allem auch in die Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Denn eines möchte ich an dieser Stelle noch einmal besonders betonen: Es nutzt nichts, wenn wir unseren Nachkommen schuldenfreie Haushalte hinterlassen. Viel wichtiger ist es heute, dass wir Ihnen eine Welt hinterlassen, in der es sich immer noch zu leben lohnt. Das gilt im Großen, also weltweit, mit allen Bedrohungen, die der Klimawandel, Kriege, der Vorrang für Wirtschaftsinteressen, Misswirtschaft und vieles mehr mit sich bringt, genauso, wie für den vergleichsweise kleinen Rahmen unserer Gemeinde hier vor Ort. 

Und da wären wir dann beim „aber“. Angesichts eines Bedrohungsszenarios durch den Klimawandel, gegen das die Herausforderungen der Corona-Pandemie ein Kinderspiel sind, ist dieser Haushalt nicht GRÜN genug. Und deshalb richtet sich mein Plädoyer heute nicht an diesen Haushalt, sondern ist ein Plädoyer für zukünftige Haushalte in Biebertal:

Unser Haushalt muss GRÜNER werden. 

Ausgaben für Klimaschutz, Umweltschutz, alternative Verkehrskonzepte, Nachhaltigkeit und einen ökologischen Umbau der Gesellschaft finden sich zwar in diesem Haushalt auch schon vereinzelt und es wäre übertrieben, wenn ich sagen würde, wir müssen sie suchen wie die sprichwörtliche Stecknadel im Heuhaufen. Denn man muss gar nicht solange suchen, um ein paar schöne, wichtige und wertvolle Stecknadeln in diesem Biebertaler Haushaltsheuhaufen zu finden. Die Stichworte Aufforstungen, Radwege und Carsharing sollen hier genügen. Biebertal ist im letzten Jahr Klimakommune geworden und die Stelle für Klimaschutzmanagement ist bewilligt (aber noch nicht besetzt). Auch das sind gute Nachrichten.

Aber letztlich sind das noch viel …

… zu wenige Tropfen auf den viel zu heißen Stein des Klimawandels.

Wenn es um Bau- und Gewerbegebiete geht, wenn es um Naturschutz und Nachhaltigkeit geht, dann läuft das auch hier in Biebertal immer noch viel zu oft unter dem Motto „Ökonomie vor Ökologie“. Dieser Weg führt in eine Sackgasse. Dieses Motto für politisches Handeln ist überholt und bietet keine Perspektive für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel.

Wenn wir heute die Welt von morgen retten wollen, dann müssen Ökonomie und Ökologie mindestens gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dann müssen wir nach der Devise handeln „Ökonomie UND Ökologie“ oder besser noch „Ökonomie nie ohne Ökologie“. Viele Jahre haben wir geglaubt, dass wir nachfolgende Generationen vor zu hohen Schuldenbergen bewahren müssen. (Und wenn ich von „wir“ spreche, dann schließt das mich durchaus ein).

Heute wissen wir, dass im Vergleich zu den Bedrohungen, die der Klimawandel mit sich bringt, die Schuldenberge – und auch die durch die Corona-Pandemie noch einmal gestiegenen Schuldenberge – Spielkram sind, gegen das, was uns als Folge des menschengemachten Klimawandels erwartet. Deshalb muss die Devise für 2022, 2023 und alle folgenden Jahre lauten

„Unser Haushalt muss grüner werden“

Dass das nicht einfach wird, brauchen sie mir nicht zu erzählen. Denn selbst wenn Geld im Überfluss da wäre, wäre es immer noch schwierig genug, die besten Ideen mit den wenigsten Nebenwirkungen auf den Weg zu bringen. Von den Menschen, die wir dafür brauchen, die aus Worten Taten werden lassen, ganz zu schweigen. Aber gerade deshalb ist es noch wichtiger, diese Aufgaben in Angriff zu nehmen und in konkreten Projekten umzusetzen. Eine Klimaschutzmanagerin bzw. ein Klimaschutzmanager wären dafür von zentraler Bedeutung. Aber auch wenn diese Stelle noch nicht besetzt ist, dürfen wir uns dahinter nicht verstecken, dann müssen wir die Dinge eben ohne diese Stelle in Angriff nehmen und vorantreiben.

Nachhaltigkeit, Umwelt- und Klimaverträglichkeit müssen feste Rahmenbedingungen für ALLE Ausgaben und Investitionen werden. Dass dies auch für 2021 schon gelten müsste, ist klar. Dass die Umsetzung in die Praxis in der aktuellen Situation noch einmal schwieriger geworden ist, ist genauso klar. 

Deshalb werden wir dem Haushalt auch zustimmen. Das ist die Anerkennung dafür, dass es unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen gelungen ist, einen weitestgehend ausgeglichenen Haushalt zu gestalten, der auch jetzt schon viele wichtige Investitionen in die Zukunft Biebertals und ein paar erste kleine Trippelschritte in Richtung auf ein umweltfreundliches, nachhaltiges und CO²-neutrales Biebertal enthält.

Aber unser Auftrag für 2022 ist klar und unmissverständlich: Dieser Haushalt muss grüner werden (und damit meine ich nicht die Farbe des Einbands).

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

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