Sonnenblumenfeld-vor-Rodheim

© Gröf

Warten ist keine Lösung! (Rede zum Haushalt 2019)

Die folgende Rede hat unser Fraktionsvorsitzender Siggi Gröf in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 11. Dezember 2018 anlässlich der Beratungen zum Haushalt 2019 gehalten:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Fast 50 Jahre nach dem der Club of Rome den Menschen die „Grenzen des Wachstums“ aufgezeigt hat, reiten wir unseren Planeten den Bach runter. Auch wir hier in Biebertal sind immer noch völlig auf Wachstum fixiert: Mehr Gewerbe, mehr Baugebiete, mehr Straßen, mehr, mehr, mehr und mehr bedeutet meistens mehr Quantität und nicht mehr Qualität, mehr Versiegelung, mehr Umweltverschmutzung usw.

Aber wir müssen lernen: Quantitatives Wachstum bietet keine Perspektive und das gilt in ganz besonderem Maße für uns Biebertal.Wir müssen über das Morgen hinausdenken. Wenn wir eine Perspektive für Biebertal entwickeln wollen, dann dürfen wir nicht für das nächste und das übernächste Jahr planen, dann müssen wir für die nächste Generation (oder besser noch die nächsten Generationen planen).

Und das erste, was mir dazu einfällt, ist, dass es in dreißig oder fünfzig Jahren gerade die natürlichen Ressourcen sein werden, die das Kapital und das Alleinstellungsmerkmal für Biebertal sein könnten, die wir jetzt durch die kurzfristige Ausrichtung auf Gewerbe- und Baugebiete massiv beschneiden und zerstören.

Schon in den Grundsätzen zur Budgetierung steht, dass die Gemeinden und das gilt explizit auch für uns in Biebertal, den Blick einzig und allein auf die einzelnen Posten im Haushalt richten. Dass es aber keine strategischen Ziele gibt, die als Grundlage dienen, um davon konkrete Ziele zu abzuleiten und zu operationalisieren. Wir aber – und da nehme ich uns als Bündnis 90/Die Grünen keinesfalls raus – haben den Blick fest auf das Tagesgeschäft und die aus der Not heraus getriebenen Entscheidungen und Beschlussvorlagen gerichtet.

Wenn wir aber Krumbach, Frankenbach, Königsberg, Fellingshausen, Vetzberg, Rodheim und Bieber auch mittel- und langfristig zu einem lebens- und liebenswerten Wohn- und Lebensraum für Familien und Alleinstehende, für Junge, nicht mehr ganz so junge und auch alte Menschen machen wollen, dann müssen wir innehalten und den Blick über die konkreten Alltagsentscheidungen hinaus werfen und Visionen für das Leben in unserer Gemeinde entwickeln – und am besten nicht lauter verschiedene Visionen, sondern EINE gemeinsame Vision. Ich weiß, Helmut Schmidt hat einmal gesagt: „Wer Visionen hat, der soll zum Arzt gehen.“ Aber Helmut Schmidt war ja auch bei der SPD …

Eine solche Vision könnte und müsste der Ausgangspunkt für ein Leitbild und eine mittelfristig angelegte Strategie sein und aus einer solchen Strategie könnten und müssten wir operationale Ziele ableiten, die wir in den nächsten Monaten und Jahren in Angriff nehmen. Nur so können wir uns davon befreien, als Getriebene der Tagesgeschäftsentscheidungen durch unsere Sitzungen zu stolpern, nur so können wir das Heft des Handelns in die Hand nehmen und die Zukunft unseres Biebertals aktiv gestalten.

Wir dürfen diese Aufgabe nicht länger vor uns herschieben. Wir müssen sie in Angriff nehmen, auch weil wir eine Orientierung für die laufenden Einzelentscheidungen brauchen.

Warten ist keine Lösung!

Thema Investitionen: Wir haben in den vergangenen Jahren schon einige wichtige Investitionsmaßnamen gestemmt und sind gerade wieder dabei, den neuen Feuerwehrstützpunkt und auch den neuen Bauhof zu realisieren. Da geht es immer auch darum zu sparen, zu sparen und noch einmal zu sparen …

und gegen eine sparsame Haushaltspolitik, gegen einen gewissenhaften Umgang mit Steuergeldern ist bestimmt nichts einzuwenden. Aber manchmal befürchte ich, dass wir solche Projekte zu Tode sparen.

Das sind aber Investitionen, Investitionen in die Zukunft unserer Gemeinde, Investitionen nicht für die nächsten zwei, drei oder fünf Jahre, sondern für die nächsten 30, 50 oder mehr Jahre. Investitionen in die Arbeit von Gemeinde-mitarbeitern und Ehrenamtlichen. … und ich möchte, dass die Gebäude und Anlagen bekommen, in die sie gerne gehen, die sie gerne nutzen und auf die sie vielleicht auch ein bisschen stolz sein können.

Warten ist keine Lösung!

Das gilt auch bei der Straßenbeitragssatzung. Aktuell ist die Straßenbeitragssatzung ausgesetzt. Das heißt, niemand muss Straßenbeiträge zahlen. Das heißt aber auch, dass wir die dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen immer und immer wieder vor uns herschieben.

Hier hätte ich mir von den anderen Fraktionen etwas mehr Entscheidungsfreude gewünscht. Die Bürgerinnen und Bürger wollen Sicherheit, damit sie wissen, was wann und wie auf sie zukommt oder zukommen kann. Und wir sind es Ihnen schuldig, Ihnen diese Sicherheit zu bieten. Dafür brauchen wir eine Entscheidung und zwar möglichst bald!

Warten ist also keine Lösung!

Im Moment profitieren wir auch davon, dass die Haushalte der vergangenen Jahre immer eher großzügig kalkuliert waren, so dass die Jahresabschlüsse besser ausgefallen sind, als die Planungen und Prognosen. Die Frau Bürgermeisterin hat selbst gesagt, dass der Haushalt für 2019 auf Kante gestrickt ist. Das ist durchaus legitim, birgt aber natürlich die Gefahr, dass sich auch schon bei kleineren Abweichungen ein Nachtragshaushalt nicht vermeiden lassen.

Wir sind mittlerweile mit einem Indikatorwert von 75 beim Finanzstatusbericht im grünen Bereich angekommen. Das ist kein Polster, auf dem wir uns ausruhen können oder von dem aus wir Geschenke verteilen können. Aber es ist eine Ausgangsposition, auf der wir aufbauen können.

Dass wir da stehen, wo wir jetzt stehen, ist natürlich auch nicht nur ein Verdienst der letzten Monate. Das ist ein Verdienst, das wir uns in den letzten Jahren hart erarbeitet haben. Damit ist es nicht zuletzt auch ein Verdienst des ehemaligen Bürgermeisters Bender. Das sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen.

Jetzt habe ich tatsächlich schon einige Minuten geredet und noch keinen einzigen Satz zu den konkreten Inhalten des aktuellen Haushalts verloren … Das ist allerdings auch nicht verwunderlich. Der Haushalt für 2019 ist solide aufgestellt, enthält einige wichtige zukunftsweisende Investitionen und ist stark geprägt von Ausgaben und Einnahmen, auf die wir als Gemeinde wenig Einfluss haben.

Es wurde heute Abend ja schon mehrfach darauf hingewiesen, dass der laufende Betrieb der Kindertagesstätten und -betreuungseinrichtungen mit ca. 2 Mio Euro den Haushalt belastet. Das ist natürlich gut investiertes Geld in die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Aber es zeigt eben auch, dass das Land zwar die Eltern bei den Kinderbetreuungskosten großzügig entlastet hat, aber die Gemeinden auf ihren hohen Belastungen sitzen lässt. Auf Grund höherer und früherer Betreuungsbedürfnisse der meist berufstätigen Eltern wird diese Belastung auch noch weiter steigen.

Positiv sind auch die Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr (die barrierefreien Bushaltestellen), in das Familienbad, die zu prüfende Stelle des Klima-Managers und einige Maßnahmen mehr. Positiv und wichtig! Denn wir hinterlassen unseren Kindern und Enkeln in Biebertal ja nicht nur Schulden. Wir tragen auch die Verantwortung dafür, dass wir unseren Kindern, Enkeln und allen Neu-Biebertalerinnen und Biebertalern, die noch dazu kommen, eine funktionierende Infrastruktur, ein lebenswertes soziales und kulturelles Umfeld und eine Perspektive für die Zukunft … und darauf sollten wir unser Augenmerk in Zukunft noch stärker richten, als wir das bisher getan haben.

Warten ist natürlich auch hier keine Lösung!

Wir stimmen dem Haushalt in der vorgelegten Form unter Berücksichtigung der eingearbeiteten Änderungen zu, weil er unserer Meinung nach den Spagat zwischen dringend erforderlicher Sparsamkeit und perspektivischen Investitionen und Maßnahmen gut hinbekommen hat (auch wenn wir nicht jede Einzelmaßnahme gut heißen).

Und wir möchten noch einmal nachdrücklich darauf hinweisen, dass wir nicht länger darauf warten sollten, die Zukunft in Biebertal zu gestalten … und Zukunft gestalten, das heißt für uns:

  • Aufbau eines nachhaltigen Tourismus,
  • Verankerung von Nachhaltigkeit und ökologischen Standards in allen kommunalpolitischen Entscheidungen
  • Gestaltung von Räumen und Möglichkeiten für zeit- und altergemäße Lebensentwürfe in allen Lebensphasen
  • Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs,
  • Stärkung des ehrenamtlichen Engagements und
  • Erhalt der sozialen und kulturellen Infrastruktur

um nur die wichtigsten zu nennen!

Packen wir es an, denn: Warten ist keine Lösung!

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld!

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